Stillos

Kommentar

Zum „Reformvorhaben 2025“ des „GEMA-Teams“

Vieles ist schon zu den als „Reformvorhaben 2025“ deklarierten Kürzungsplänen der GEMA, die E-Komponist:innen betreffend, geschrieben worden. Auch wurde vielseitig beklagt, dass die Verantwortlichen in der GEMA, die sich hinter dem Wort „GEMA-Team“ verbergen, die E-Komponist:innen nicht oder schlecht informiert haben. Kürzungspläne sind das eine, Stillosigkeit ist das andere, aber beides hängt aufs Engste miteinander zusammen. 

Ich komme vom Land und ich weiß wie erfolgreiche Vereine, zum Beispiel Blasmusik- oder Gesangsvereine, arbeiten und wie dort Vertrauen hergestellt wird und hergestellt werden muss. Leider ist festzustellen, dass die Leitung der GEMA, die zwar kein Verein ist, aber eine Gesellschaft, die ihren Mitgliedern auf ähnliche Weise verpflichtet sein sollte, das nicht leistet und – schlimmer – dies erfolgreich zu verdrängen scheint. Das ist allein schon deshalb erstaunlich, weil die Arbeitsplätze dieser Personen von den Mitgliedern der GEMA finanziert werden, sie sich also um alle ihre Mitglieder gleichermaßen bemühen müssten. Als ordentliches Mitglied der GEMA sollte ich, da ich auf einer Mitgliederversammlung abstimmen darf, erfahren dürfen, was in „meinem“ Verein vor sich geht, was sich hinter dem, was ein „Gema-Team“ als „Reformvorhaben 2025“ bezeichnet, verbirgt. 

In mehreren Mails habe ich das „Gema-Team“ aufgefordert zu nennen, wer sich hinter diesem Begriff versteckt. Wer sind die Personen, die mir (noch) nicht sagen wollen, was inzwischen durchgesickert ist, dass nämlich demnächst die GEMA-Einkünfte der E-Komponist:innen einschneidend gekürzt werden sollen? Es ist mir nicht gelungen, das herauszufinden. In keinem „normalen“ Verein könnte sich ein Vorstand eine solche Stillosigkeit erlauben. Kein Kassenwart einer Blasmusik bliebe auf seinem Posten, wenn er die Mitglieder nicht korrekt informieren oder sie zu täuschen versuchen würde, wie es aktuell durch die Leitung und das „Team“ der GEMA geschieht. 

Stillosigkeit ist in diesem Fall aber nicht nur einfach flegelhaftes Verhalten, Nachlässigkeit oder eine infame Strategie. Es zeigt vielmehr ein tiefgreifendes Problem, ein kurzfristig eigennütziges und rein pekuniär orientiertes Verhalten, das keine Gedanken daran verschwendet, was diese „Reform“ für die Musik, das kulturelle Leben in Deutschland und darüber hinaus bedeutet. Schon in der ersten Ankündigung zum Reformvorhaben wurde dieses mangelnde Bewusstsein klar, denn die Behauptung, dass E und U nicht mehr zu unterscheiden seien, ist eine reine Erfindung und entspricht in keiner Weise den Arbeits- und Produktionsmechanismen der beiden Bereiche. Schon in der ersten Ankündigung wurde klar, dass es aus GEMA-Sicht um rein finanzielle Fragen geht.

Der Stil, der Stylo ist ein scharfer Stift, der manchmal sehr präzise etwas markieren oder zertrennen kann wie ein Stilett. Aber sowohl beim Stylo als auch beim Stilett bedarf es einer gewissen Kultur und Fähigkeit, um damit handeln zu können. Fehlt der Stil, dann wird das Verhalten stumpf und es kommen die niedersten Mechanismen zutage, zum Beispiel das Argument, dass eine Musik nur einen „Wert“ habe, wenn sie Geld einbringe. „Wert“ ist ein Lieblingsbegriff der GEMA, den sie mit Bedacht im Unklaren lässt. Aber allmählich wird deutlich, dass sie ihn auf rein pekuniäre Weise versteht. Sich darauf kaprizierend, ist es auch einleuchtend, dass die Sensibilität für Vielfalt und unterschiedliche Arten, Musik zu machen, abhandenkommt.

Entsprechend stumpf verläuft die „Kommunikation“ mit der GEMA. Es wird entweder nicht oder spät geantwortet, es wird vertröstet, angeblich werden Argument gehört, wovon jedoch in keiner Weise etwas zu spüren ist, es wird spät oder nicht zu Informationsveranstaltungen eingeladen, die als Diskussionsveranstaltungen getarnt sind, aber nicht mal informieren. Diese Liste ließe sich problemlos fortsetzen, und ich kann sie durch meinen Mailwechsel und Zitate von der GEMA-Seite belegen. Wer so stil- und respektlos mit seinen Mitgliedern umgeht, der kann gar kein Gespür dafür haben, welche Side-Effects das eigene Verhalten noch haben könnte und wie viel menschliches und künstlerisches und insgesamt kulturelles Porzellan dabei zertrümmert wird, das sich nicht wieder zusammenkleben lässt. 

Im Wesentlichen wird Camouflage betrieben: Der Begriff „Reform“ entpuppt sich als Euphemismus, „Deform“ würde eher passen. „Vorhaben“ ist auch ein Euphemismus, es ist ein Vorhaben im Futur II, das verschleiert, dass eine Entscheidung, die angeblich offen ist, getroffen worden sein wird, also schon getroffen wurde. „GEMA-Team“ ist ebenfalls ein Euphemismus und tut so, als könnte man im oder mit einem Team zusammenarbeiten. Aber das ist nicht der Fall, und es ist nicht einmal klar, ob sich hinter dem Wort mehrere Personen verbergen oder womöglich nur eine. Mit Sicherheit verbirgt sich Herr Dr. Weigand dahinter, der Vorsitzende des Aufsichtsrats der GEMA, denn eine solch systematische Desinformation ist nur möglich, wenn sie von oben geschützt wird.

Viele vermuten wahrscheinlich, dass sich die „E-Musik“ überlebt habe und, wer für ihren „Erhalt“ kämpft, hoffnungslos altmodisch sei. Erhalt klingt wie Denkmalschutz, aber es geht nicht um Erhalt im restaurativen oder konservatorischen Sinne, sondern um lebende Menschen mit ihrer Musik, es geht um kulturelle Errungenschaften in Form von Konzerthäusern, Klangkörpern, Festivals, Hochschulen und sicher nicht zuletzt um das Publikum und um eine lebendige Kultur der Komposition, wie sie so in der U-Musik nun eben nicht besteht. Es gibt E und U und beide befruchten sich gegenseitig, aber sie sind nicht dasselbe. Es geht um den Erhalt eines Geistes und eines Freiraums des Denkens, ohne den jede Kultur zu einem simplen Geldverdienmechanismus verkommen würde. Diesen Freiraum in dem Moment zu beschränken, in dem sich KI anschickt, genau das, was viele U-Musiker:innen leisten, einfach von selbst zu können, ist auch den U-Musiker:innen gegenüber kultur- und stillos. Es ist nicht so, dass sich die E-Komponist:innen allein die Sinnfrage stellen müssten. Diese stellt sich mit Blick auf KI – ein Begriff, mit dem die GEMA aktuell gerne spielt – auch massiv den U-Komponist:innen. Eine wirklich stilbewusste Kultur müsste sich vielmehr fragen, wie angesichts all der Neuerungen ein Freiraum gefunden werden könnte, der uns als Menschen noch erlaubt, Menschen zu sein. Nichts weniger steht auf dem Spiel – und ich darf den Leser:innen versichern, dass ich normalerweise nicht zu Katastrophenszenarien neige, aber in diesem Fall Schlimmstes befürchte. Diese Perspektive wird, so vermute ich, dem „GEMA-Team“ hoffnungslos übertrieben erscheinen. Und genau deshalb halte ich das Verhalten für stumpf. GEMA-Team, sagen Sie bitte, wer Sie sind, dann können Sie mich gerne – und bitte tun Sie das! – widerlegen.